Hallo, ich bitte schon mal um Verzeihung, wenn ich hier kein Foto oder sowas einstelle, aber Zeitzeugenberichte sind ja auch historische Zeitdokumente. Der Titel "Das war dann mal weg" ginge vielleicht auch.
1961 begann ich meine Tätigkeit auf dem Personenbahnhof Dresden-Neustadt als Rangierleiter. Es wurden endende und beginnende Personrnzüge umgesetzt, auch mal Kurswagen angesetzt usw. Dazu hatten wir eine zumeist etwas ausgefallene Güterzugdampflok, die im Streckendienst nicht mehr verwendet wurden.
Am Ende des Nachtdienstes mussten drei Wagen am Schluss haltender Personenzüge angesetzt werden, unter anderem die sogenannte "Russenpost" an den Personenzug nach Berlin Schöneweide. Die Besatzungsmacht transportierte in einem normalen grossen vierachsigen Bahnpostwagen ihre Kurierpost täglich nach Wünsdorf. Der Postwagen war mit Sowjetarmisten besetzt, gelbe Flagge war dran und die Ofenheizung verbreitete die ganze Nacht stinkenden Qualm. Im Laufe der Nacht kamen die Russenautos und brachten die Post. Gegen 04.00 Uhr habe ich dann den Wagen von der Schlesischen Rampe abgeholt und mich mit den anderen Wagen auf der Westseite des Bahnhofes zum Ansetzen aufgestellt. Eines Nachts kam der Wagenmeister mit wehendem Mantel angeschnauft, was völlig ungewöhnlich war, man konnte bei ihm sonst keine hastigen Bewegungen erkennen, wenn er überhaupt mal seine Dienstbude verliess, und sagte mir, wir müssen die Russenpost tauschen. Die kann nicht mitfahren, die Tragfedernschake ist gebrochen. Er hat sie mir gezeigt und seit dem weiß ich, was das ist. Nun ging das Chaos los, den Russen begreiflich zu machen, das sie ihre hochgeheime Stabspost wieder ausladen und in die Ersatzpost umladen mussten. Ich habe schnell die Ersatzpost, die immer bereit stand, geholt, dann wurde am Bahnsteig in Windeseile gemeinsam mit dem Wagenmeister und dem Heizer der Rangierlok und den zwei Russen der Postwagen umgeladen und noch pünktlich an den Zug nach Schöneweide angesetzt. Von da an war der Wagenmeister im Gegensatz zu früher immer hilfsbereit und freundlich. Und ich weiß bis heut, was eine Tragfedernschake ist .
Lang ists her und das ist alles weg: die russische Besatzungsmacht, die Bahnpostwagen, die Expressgutwagen, die in Personenzügen mitgeführt wurden, durchgehende Personenzüge von Dresden bis Berlin mit Halt auf allen Unterwegsbahnhöfen, der Rangierdienst und das gesamte andere Betriebspersonal im Personenbahnhof Dresden Neustadt, auch der Wagenmeister, die durchgehende besetzte Rangierdampflok mitsamt dem Lokbahnhof Dresden-Neustadt und noch dies und das...... aber die Gleise liegen noch und das Empfangsgebäude steht noch in jugendstilfräulicher Schönheit, das lässt doch hoffen. Nostalgische Grüsse vom Bärenteich