... genauer gesagt 4.988 Kilometer führte uns eine Exkursion zwischen Himmelfahrt und Pfingsten durch Russland, Litauen, Lettland und im Transit durch Polen.
Los ging es am Vorabend des Himmelfahrtstages. Ohne Halt sollte es durch Polen bis an die russische Grenze gehen. Nach Sonnenaufgang erreichten wir in Czersk und zugleich einen Blechkistenzug, der ersichtlich gerade auf Überholung wartete. ST44 - 1110 musste also schnell auf den Chip:
In der Gegenrichtung war ST44 717 ebenfalls mit einer Schlange Containern unterwegs, aber sie fuhr gegen das Licht und wir wollten weiter.
Gegen Mittag erreichten wir dann Braniewo / Braunsberg, die letzte Station auf dem polnischen Teil der Ostbahn. Wir entschieden uns, auf der der russischen Grenze zugewandten Seite zu warten, denn mit dem Güterzug aus Russland war am Nachmittag zu rechnen. Irgendwie müssen wir dort in der Nähe der russischen Grenze aufgefallen sein, denn alsbald erschien zielgerichtet ein Streife der polnischen Grenzpolizei. Nachdem diese unsere Dokumente kontrolliert und sich von der Harmlosigkeit unseres Tuns überzeugen konnte, erhielten wir sogar eine nähere Information über die Fahrplanlage. Fast exakt zu dieser Zeit kam dann auch der Güterzug aus Russland:
Der Zug fährt auf Breitspur, während das hintere Gleis regelspurig bis Kaliningrad / Königsberg führt.
Nach einem Quartier im örtlichen Hotel ging es am nächsten Morgen an die russische Grenze. Etwas mehr als zwei Stunden dauerten das Warten und der Übertritt.
Während dessen typhonierte es an der in Hörweite gelegenen Ostbahn. Ein Regelspurzug? Also führte der erste Weg in Russland zum Bahnhof im Grenzort Mamonovo / Heiligenbeil, wo tatsächlich die polnische ST44 1232 abfahrtbereit in Richtung Polen stand und kurz danach abdieselte:
Weiter ging es nach Kaliningrad / Königsberg. Nachdem das Hotel erreicht war, gab es zunächst ein kleines touristisches Rahmenprogramm und einen Spaziergang um den in den letzten Jahren wieder aufgebauten Dom. Wie fast die gesamte Stadt wurde das Bauwerk 1944/45 stark zerstört und brannte aus. Wahrscheinlich wurde die Ruine von den Sowjets nur deshalb nicht gesprengt, weil sich unter ihr auch das Grab Imanuel Kants befindet:
O-Bus und Straßenbahn gehören zum Stadtbild:
Den Königsberger Hauptbahnhof hatte ich schon im letzten Beitrag gezeigt, daher spare ich diesen Teil hier aus. Statt dessen das Bild einer auf dem Regelspurteil des Bahnhofs rangierenden M62:
Bei der Lok handelt es sich um die A-Sektion einer Doppellok, die zu einer Einzellok umgebaut wurde.
Von Kaliningrad aus führt die alte Ostbahn weiter Richtung Litauen. Hier tobt der Transitverkehr ins russische Mutterland.
In Oserki / Groß Lindenau begegnete uns die B-Sektion der 2M62U 0367, die wie die oben schon gezeigte Lok durch Nachrüstung eines Führerstandes zu einer einzelnen Lok umgebaut ist, mit einem Autozug:
Sonst haben wir von den auf Regelspur eingesetzten Loks abgesehen nur Doppelloks im Einsatz gesehen.
Ein Mitglied unserer Expedition hatte vorbildlich die Reisezugfahrzeiten recherchiert. So konnte der Schnellzug Kaliningrad - Moskau erwischt werden:
Als Problem erwies sich dabei nur, dass die Fahrzeiten der Fernzüge nach Moskauer Zeit ausgewiesen werden. Da wir vor Ort zumeist zwei Gruppen gebildet hatten, erreichte uns via Handy noch die Warnung, dass der Zug überraschend schon eine Stunde eher auf uns zurollte.
Übrigens fiel mir danach auf, dass die Fahrplanaushänge auf den Bahnhöfen bei den Regionalzügen immer den Hinweis enthielten, dass die Zeitangabe die des Ortes ist. Zu dumm nur, dass der Russisch-Unterreicht in der Schule schon über 25 Jahre vergangen ist ...
Der Bahnhof Oserki bildete noch die Kulisse für weitere Ablichtungen:
2M62 0665 mit Kesselzug nach Osten:
Moderner Triebwagen neben altem preußischen Beamtenwohnhaus:
TEP 70 391 mit Schnellzug vor stillgelegter Industrieanlage
Das lang gestreckte Dorf Komsomolsk / Löwenhagen fällt durch ein saniertes, aber seinem Zweck nicht mehr dienendes Empfangsgebäude preußischen Baustils auf. Im alten Güterschuppen hat eine Familie eine Wohnung eingerichtet. Gegenüber anderen Gebäuden sieht das Haus gepflegt aus, aber kann sich einer von Euch vorstellen, ohne Wasseranschluss zu leben?
Das Gelände des Bahnhofs lässt dessen einstige Ausdehnung und Bedeutung erahnen. Aus Ostpreußen wurden einst Lebensmittel nach ganz Deutschland geliefert. Heute klettern nur wenige Reisende aus dem Triebwagen:
Östlich des Bahnhofs findet sich dieses preußische Beamtenwohnhaus:
Noch einige Meter weiter steht dieses alte preußische und noch heute Wohnzwecken dienende Postenhäuschen, dass sich ebenfalls gut als Motiv macht:
An derselben Stelle in der Gegenrichtung entstand am Tag zuvor dieses Bild mit TEP 70 0518 und dem Schnellzug nach Sankt Petersburg:
In Znamensk / Wehlau wurde 2M62 1172 vor der Kulisse des Wasserturms auf den Chip gebannt:
Ebenfalls in Znamensk entstand dieses Bild einer zusätzlichen Sicherung der Bahnübergänge gegen einfahrende Autos. Diese Technik wird an recht vielen beschrankten Bahnübergängen angewendet.
Wieder ein paar Kilometer weiter östlich liegt Meschdureze / Norkitten. Wir finden dieses schöne Empfangsgebäude ...
... und ein zum Bauerngehöft umfunktioniertes Eisenbahnerwohnhaus:
Ein paar Meter weiter noch ein altes Gemäuer, welches ich für ein altes Stellwerk halten würde:
Wir erreichen Insterburg. Den dortigen Rundlokschuppen hatte ich im Bild schon gezeigt. Hier das Empfangsgebäude:
Die Uhr rechts neben dem Portal zeigt die Moskauer Zeit.
Die Kacheln im Bahnsteigtunnel scheinen teilweise noch original preußisch zu sein:
Auch die Stahlkonstruktion der Bahnsteigüberdachung ist noch die alte.
Auf dem Bahnhofsgelände stehen als Denkmal eine russische Dampflok und eine TE:
Die Identität der Lok war vor Ort nicht zu ermitteln. Es steht nichts angeschrieben, der Rahmen war dick mit roter Farbe versehen, so dass die eingeschlagene Fabriknummer nicht zu lesen war.
An der östlichen Einfahrt nach Insterburg trafen wir 2M62U 0145 mit einem kurzen Güterzug.
Östlich von Insterburg liegt Weselowka / Judtschen. Der Bahnhof ist zum Haltepunkt mutiert. Just zu unserer Besichtigung der Örtlichkeit erschienen Transitzüge aus beiden Richtungen:
Russische Straßen sind anspruchsvoll – nicht nur was die Sitten und Gebräuche der russischen Wagenlenker und den teilweise horrormäßigen Straßenzustand angeht. Hin und wieder kommt auf dem Land auch einmal eine freilaufende Kuh unvermittelt quer über die Straße:
Versöhnend wirken die Kraftstoffpreise:
Der Kurs Euro zu Rubel liegt etwa bei 1 zu 40.
Die Restaurantpreise in Königsberg sind teilweise weniger versöhnlich und für viele Einheimische nicht bezahlbar.
Wir verlassen die Oblast Kaliningrad zunächst via Sovjetsk / Tilsit.
Auf dem Weg dorthin finden wir in Bolschakowo / Skaisgirren in einer Pflasterstraße 750 mm-spurige Gleise:
Ein Blick in die Literatur (EK-Special Nr. 25 “Ostpreußen” und Bufe, Eisenbahnen in West- und Ostpreußen) verrät, dass hier einst die Insterburger Kleinbahn verkehrte und hier ein Schmalspurnetz existierte, dass in seiner Ausdehnung das Netz von Mügeln in den Schatten stellte. Nichts gefunden habe ich dazu, ob diese Bahnen auch nach 1945 zunächst noch betrieben wurden.
In Tilsit stehen uns an der Grenze in der prallen Sonne bei 29 Grad 3 Stunden Wartezeit bevor. Zeit für ein Bild von der Luisenbrücke, benannt Königin Luise, der Gattin des Preußenkönigs Friedrich Wilhelm III. 1809 wurde in Tilsit der Tilsiter Frieden geschlossen. Der Vertrag war für Preußen nicht gerade vortheilhaft. Luise soll am Tag vor der Unterzeichnung nochmals persönlich Napoleon angefleht haben, die Bedingungen zu überdenken, konnte diesen jedoch nicht zum Einlenken bewegen.
Die Brücke wurde vor dem Krieg auch von der elektrisch betriebenen 1000 mm-spurigen Kleinbahn Tilsit – Mikieten, die ins Memelgebiet führte, mit benutzt. Das Brückenportal blieb erhalten, die Brücke selbst wurde 1945 gesprengt.
Ich hoffe, der Querschnitt durch die Reise hat etwas Spaß und dem einen oder anderen auch Appetit gemacht!