Am 2. Juni 2018 ist es 45 Jahre her, dass auf der ersten sächsischen Schmalspurbahn Wilkau-Haßlau - Kirchberg die letzten regulären Züge fuhren. Obwohl schon mehrmals in verschiedensten Medien über den 2. Juni 1973 berichtet wurde, tauchen doch immer wieder neue Fotos und Unterlagen von jenem denkwürdigen Tag auf.
Seit 15. Januar 1973 bestehen nur noch wenige Gelegenheiten zur Mitfahrt zwischen Wilkau und Kirchberg:
Kursbuch Winter 1972/73 mit den seit 15.01.1973 gültigen Berichtigungen.
Auch wenn dies dein letzter Tag, vergiß das Eine nie – was keiner einzustellen vermag, ist unsre Sympathie – für Dich!
"Freie Presse" (Organ der SED-Kreisleitung Zwickau) vom Samstag, dem 2. Juni 1973.
Der erste Zug am letzten Betriebstag, P 2105, fuhr bereits wie gewohnt um 4.21 Uhr von Kirchberg nach Wilkau-Haßlau. Die Früh- und Vormittagszüge waren bei weitem nicht so gut besetzt wie die Nachmittagszüge. Daher existieren von diesen nur sehr wenige Bilder. Neben den regulären Reisezügen verkehrte noch das Lzz/Lzv-Paar 70080 von und nach Kirchberg. Dabei handelte es sich um die Zuführung der Lok für die bei Bedarf täglich verkehrende Übergabe zum VEB Wesa bzw. zum VEB Chemiehandel (Neubert), welche am 27. Mai 1973 letztmalig bedient wurden. Dennoch verkehrte Lzz/Lzv 70080 auch an den darauffolgenden Tagen weiter, so auch am 2. Juni.
Die Mittagspause zwischen der Ankunft von Lzv 70080 um 8.55 Uhr und der Abfahrt des Gmp 69981 um 13.30 Uhr wird zur Lokpflege genutzt. Auch der „Festschmuck“ wird erst jetzt an 99 1561-2 angebracht. Der große Lokschuppen der Einsatzstelle Kirchberg war bis 1973 gleichzeitig Sitz des "Gruppenleiters Schmalspur" des Bw Aue, Johannes Pampel.
Gmp 69981 steht gegen 13.20 Uhr abfahrbereit auf Gleis 2 des Bahnhofs Kirchberg. Nachdem Mittagessen und Wochenendeinkäufe im Konsum erledigt sind, füllt sich der Bahnsteig langsam mit Publikum.
Gmp 69981 gegen 13.30 Uhr bei der Ausfahrt aus Kirchberg.
Kurz vor Erreichen des Hp Wilkau-Haßlau um 13.53 Uhr musste Gmp 69981 einen außerplanmäßigen Halt einlegen. Der Fahrer des nicht profilfrei geparkten IFA oder DKW „F 8“ war zwecks Terminvereinbarung in der links angeschnittenen Kfz-Werkstatt verschwunden. Nachdem sich 99 1561-2 durch Pfeifen bemerkbar gemacht und das Zugpersonal den Fahrzeuglenker in der Werkstatt ausfindig gemacht hatte, konnte Derselbe seinen Wagen „profilfrei“ parken. Ein weiteres Detail dieser Zeit: Das Kennzeichen „D“ am links zu sehenden Trabant 601. Nur noch bis 31.12.1973 war dieses Nationalitätenkennzeichen in der DDR gültig. Ab 1. Januar 1974 war „DDR“ zu führen.
Seit Gmp 69981 sorgt der „Kirchberger Trockenschwimmer-Verein“ mit seinen Einlagen für Heiterkeit in den Zügen und auf den Stationen, wie hier in Kirchberg.
Gmp 69981 wendet in Wilkau-Haßlau auf P 2122, Abfahrt dort 14.54 Uhr, Ankunft in Kirchberg um 15.19 Uhr. Dort Wende auf P 2119, dem regulär letzten Personenzug von Kirchberg nach Wilkau-Haßlau. Unmittelbar vor dessen planmäßiger Abfahrt 15.29 Uhr ensteht dieses Foto. Das es doch noch nicht der letzte Zug nach Wilkau war, wusste zu diesem Zeitpunkt noch niemand. Wegen des enormen öffentlichen Interesses wurden kurzfristig noch 2 Sonderpersonenzüge von und nach Kirchberg, sowie ein Leerzug ab Kirchberg eingesetzt.
Aufsicht Ernst Klotz erteilt den Abfahrauftrag an P 2119 nach Wilkau-Haßlau. Mit einem „richtigen“ Fahrdienstleiter war der Bahnhof Kirchberg schon seit 27. Mai 1972 nicht mehr besetzt. Im Hintergrund wacht die Transportpolizei über das rege Treiben.
Nach Ankunft des P 2119 in Wilkau um 15.54 Uhr bot sich dem Reisenden dieses Bild: Ein übervoller Bahnsteig. Rechts lugt der mit einer BR 110 bespannte Anschlusszug in Richtung Schwarzenberg hervor. Und wieder überwacht die Trapo das Getümmel... .
Auch Dienstvorsteher Dipl.-Ing. Alfred Teichert (links) und der Leiter der Wagenausbesserungsstelle Wilkau-Haßlau, Karl Otto, haben ein Auge auf das rege Treiben. P 2128, der regulär letzte Zug nach Kirchberg, steht abfahrbereit in Wilkau-Haßlau am Bahnsteig. Er ist jedoch bereits verspätet, Abfahrt wäre um 16.03 Uhr gewesen.
P 2128 im sog. "Hasenloch" in Cunersdorf. Man beachte das völlig zugewachsene Gleis.
Die berühmte Parallelfahrt mit P 2128 und einem Ikarus K 180-Gelenkbus, aufgenommen kurz vor erreichen des Bahnhofs Kirchberg.
P 2128 bei der Einfahrt in den Bahnhof Kirchberg.
Letzter Gruß der Zwickauer Modellbahner am Personenwagen 970-600 in Kirchberg.
Wegen des extrem hohen Verkehrsaufkommens auf der Landstraße während der Parallelfahrt des Busses und P 2128 kamen Motorradstreifen der Verkehrspolizei zum Einsatz. Zeitzeugen zufolge richteten jene jedoch noch mehr Chaos an... . Auf dem Foto parkt der Bus gegenüber dem Empfangsgebäude am ehemaligen Bahnhofshotel.
Symbolische Übergabe des Verkehrs von der DR auf den VEB Kraftverkehr Zwickau durch Herrn Neumann vom Reichsbahnamt Zwickau.
Rangierarbeiten in Kirchberg für das zur Freude aller Anwesenden eingelegte Sonderzugpaar 03363/03364 von und nach Kirchberg. Fast jeder auf diesem Bild ist am fotografieren - so erklärt sich die große Anzahl der Aufnahmen von diesem Tag, wobei mit Sicherheit noch viele im Verborgenen schlummern.
Nachdem P 03363 um 16.50 Uhr Kirchberg verlassen hat, kehrt etwas Ruhe ein. Die beiden Sonderzüge waren nicht mehr so übervoll besetzt wie die letzten Planzüge.
Nach Ankunft des P 03364 setzt 99 1561-2 zwei Personenwagen für das geplante Museum in Kirchberg auf das Güterbodengleis 4 weg. Man sieht links angeschnitten 970-600 mit seiner bereits gezeigten Abschiedsbeschriftung stehen. Nun steht der offiziell letzte Zug in der Geschichte der ersten sächsischen Schmalspurbahn Wilkau-Haßlau - Kirchberg, Lp 23364, am 2. Juni 1973 abfahrbereit in Kirchberg. „Offiziell“ deshalb, weil sich rund eine Woche später doch noch einmal ein Zug nach Kirchberg wagte. Dazu gleich mehr. 18.05 Uhr wird Aufsicht Ernst Klotz den Abfahrauftrag erteilen.
Nachdem das Betriebsgeschehen beendet war, fand im Jugendklubhaus „Edgar André“ in der Leuters-bacher Straße in Kirchberg ab 18 Uhr die „Abschlussveranstaltung zum Verkehrsträgerwechsel“ statt. Dazu waren alle Eisenbahner des Bf Wilkau-Haßlau/Kirchberg, sowie das Personal der Einsatzstelle Kirchberg eingeladen. Anwesend waren außerdem Vertreter des Reichsbahnamtes Zwickau und der Reichsbahndirektion Dresden. Der Leerpersonenzug wurde daher von Schönheider Lokpersonal und ohne Schaffner gefahren. Als Zugführer fungierte Zugrevisor Fritz Katzor vom Reichsbahnamt Zwickau. Ironie der Geschichte: Auch der Festball zur Eröffnung der Strecke Wilkau – Kirchberg am 16. Oktober 1881 fand im selben Etablissement statt, damals jedoch noch als Gesellschaftshaus „Erholung“ bezeichnet und im Jahre 2018 wegen Baufälligkeit zum Abriss freigegeben... . Die Presse blickt zurück
Aus der Werkszeitung "Gute Fahrt" des Kraftverkehrs Zwickau.
Unbekannte Zeitung Die wirklich allerletzte Fahrt
Noch ein letztes Mal kehrte die IV K am Freitag, dem 8. Juni 1973 ins Rödelbachtal zurück. Der Kirchberger Architekt und Heimatfreund Georg Erzgräber jun. hatte ein Projekt zur Umgestaltung des Lokschuppens in ein Museum erarbeitet. Dazu wurden von der Stadt Kirchberg die Lok 99 1581-0, ein Gepäck- sowie zwei Personenwagen erworben. An jenem Tag wurde in Wilkau-Haßlau 99 1561-2 vermutlich von den Kollegen Rudolf Fröbel (Lokführer) und Manfred Kunz (Heizer) nochmals angeheizt. Beide Eisenbahner waren inzwischen in der Wagenausbesserung (WAS) beschäftigt. Zugführer Kurt Werner kam zufällig vom Dienst und begleitete die Fuhre. Um 11.15 Uhr fuhr der außergewöhnliche Zug, bestehend aus 99 1561-2, der kalten 99 1581-0 sowie dem Gepäckwagen 974-328 in Wilkau-Haßlau ab. In Kirchberg angekommen, wurde 99 1581-0 in den Lokschuppen geschoben, während der Gepäckwagen mit Inventar aus dem Empfangsgebäude beladen wurde. Anschließend ging es wieder zurück nach Wilkau, wo man den Gepäckwagen entlud. Danach fuhr 99 1561-2 ein wirklich allerletztes Mal nach Kirchberg. Der Gepäckwagen sowie die beiden Personenwagen wurden zum Lokschuppen rangiert. Nach Erledigung dieser Aufgaben kehrte 99 1561-2 als Lz nach Wilkau-Haßlau zurück. Gegen 15.30 Uhr wurde sie dort kalt abgestellt und seitdem hat das Rödelbachtal keinen Lokomotivpfiff mehr gehört... .
Ich hoffe der kleine Ausflug in das Jahr 1973 hat gefallen.
...auch hier reicht ein einfaches Bedanken nie und nimmer aus, eine klasse Geschichte und Recherche, vielen Dank für die Mühen, die sich echt gelohnt haben...