Neben dem Korridorverkehr (Dreieck Windsor-Toronto-Montreal-Ottawa-Quebec City) und den (Mehrtages-)Nachtzügen (Canadian und Ocean) betreibt Via Rail noch einige Regional Routes (von Via gerne auch Scenic Adventure Routes genannt). Die Linien stellen Verbindungen in eher abgelegene Ecken des Landes her. Evtl. bekannt könnte die Strecke von Winnipeg nach Churchill sein, die im Winter eine halbswegs verläßliche Anbindung der weit nörlich liegendenen Stadt Churchill bietet (zwei ARD Radio Reporter sind 2019 mitgefahren). Die Frequenz auf diesen Routen ist i.d.R. 3 Zugpaare pro Woche.
Im Osten Kanadas gibt es von Montréal ausgehend zwei Regional Routes: Nach Senneterre und nach Jonquière. Ich bin mit Zug 601 nach Jonquière gefahren. Der Zug wird für die rund 550 Kilometer gut 11,5 Stunden brauchen (entschleunigtes Reisen). Von Montréal bis Hervey verkehrt der Zug zusammen mit Senneterre Zug 603. In zwei Sprachen weißt die Anzeige darauf hin
Via schreibt auf ihrer Webseite, daß man auf Startbahnhöfen sein Gepäck 45 Minuten vorher einchecken soll. Daher war ich extra früh aufgestanden und saß um 6 im Hotel beim Frühstück, damit ich es rechtzeitig zum Bahnhof schaffe (Zugabfahrt war um 7:30). Als ich dann an den Gare Centrale kam, war der Gepäckschalter zu. Ich habe daraufhin eine Via Mitarbeiterin angesprochen und sie meinte, da es morgens eher wenige Reisenden gäbe, wäre der Schalter zu. Sie ist dann mit mir zum Schalter und hat meinen Koffer in Empfang genommen.
Da ich so früh unterwegs war, konnte ich auf dem Weg zum Bahnhof ein wenig "Montréal by night" genießen
Mein Zugteil (genauso wie der nach Senneterre) bestand aus einer Lok und je zwei Wagen: Ein Sitz- und ein Gepäckwagen. Auf der Rückfahrt konnte ich meine Garnitur in Jonquière ablichten
Auch nett: Im Zug gab es einen kleinen Führer, der die Route beschreibt. Dazu noch mein Ticket und die Kofferquittung (Bild von der Rückfahrt. Das mit den 22:46 sollten wir nicht ganz schaffen, war eher so 00:15)
Ein Blick in den HEP Wagen
Sitz war bequem ließ sich mittels Beinstütze in einen halben Liegesitz verwandeln
Bei der Abfahrt in Montréal waren ca. 20 Leute im Zug. Und beim Austieg in Jonquière weniger als 10. Zwischendurch wurde es mal voller, da waren wir ca. 30 und ich hatte für 1,5 Stunden einen Sitznachbarn. Ansonsten hatte ich einen Zweiersitz für mich allein.
Die Zugbegleiterin hatte sich in einem 4er-Sitz am Wagenende als Dienstplatz eingerichtet. Sie hatte u.a. ein Funkempfänger aufgebaut, sodaß man Teile der Kommunikation mit dem Kollegen vorne auf der Lok mitbekam. Kurz vor jedem Halt haben sich die Jungs gemeldet mit sowas wie "next stop X in about 5 Minutes, doors on the left". Sie hat das bestätigt. Wenn der Zug dann am Bahnsteig stand, kam von vorne die Ansage: "open doors left" und dann hat sie die Tür geöffnet. Als noch beide Zugteile zusammen unterwegs waren, haben wir an manchen Bahnhöfen zweimal gehalten, damit jeder Zugteil am Bahnsteig stand.
Die Zugbegleiterin hatte auch eine Liste der Ein- und Aussteigerzahlen für die verschiedenen Halte im Gepäck (auf der Route gibt es einige Bedarfshalte, wo man vorher anmelden muß, wenn man da aussteigen will). Im Rahmen der Ticketkontrolle hat sie auch über jedem Sitz vermerkt, bis wohin man mitfährt (weißes Label), sodaß sie auch schlafende Fahrgäste wecken konnte, damit die nicht zu weit fahren. Auf der Rückfahrt, habe ich noch ein zweites, oranges Label bekommen, wg. Belehrhung über Nutzung des Notausstiegs im Fall der Fälle.
Auf der Rückfahrt habe ich als wir uns Montréal näherten, mehrmals eine Computerstimme im Funk gehört, die mich an eine ATIS Ansage am Flughafen erinnert hat. Bei näherem Hinhören schienen das Heißläuferortungsanlagen gewesen zu sein, die per Funk das Ergebnis gemeldet haben. Ging in etwa so: "CN detector Kingston X: no faults detected. axes X, speed Y, temperature Z"
Da sich Bahnfahren hier ab und an wie betreutes Wohnen anfühlte (in großen Bahnhöfen an jeder Tür ein Zugbegleiter, der den Weg weist; Personal öffnet die Zugtür; Sicherheitsbelehrung am Platz; die Bitte vor dem Ausstieg sitzen zu bleiben, bis der Zug am Bahnsteig zum Halten gekommen ist; ...), war ich umso überraschter, daß man uns auf der Rückfahrt kurz von Hervey aussteigen ließ. So konnten wir uns im Gleisbereich die Beine vertreten, während wir auf den Zugteil aus Senneterre gewartet haben. Wäre bei uns vermutlich nicht zulässig....
Ging auch ordentlich runter beim Ausstieg
Im täglichen Leben nutzt Kanada metrische Einheiten für Entfernungen und Geschwindigkeiten. Aber bei der Bahn ist alles in Meilen. Eine Geschwindigkeitstafel an der Strecke
Und los geht die Fahrt (Bilder in chronologischer Reihenfolge von der Hinfahrt MTL-JONQ): Vorbei an Feldern...
...bunten Bäumen...
...beliebigen Kombinationen davon
Irgendwann nahm der Wald dann zu und ab und kam auch noch Wasser hinzu
Einer luxuriöseren Unterwegshalte. Das sollte später weiter im Nirgendwo noch anders ausehen
Noch sind wir eine Doppelgarnitur
Vorbei geht's an CN Loks, die auch ihren näachsten Einsatz warten
Ein Blick aus dem Fenster am Wagenende
Und noch mehr Natur
Ein Haltepunkt im Nirgendwo
Es geht auch noch spartanischer
Wir warten in der Ausweiche bis der Gütermann durch ist (der hat zurückgesetzt, dann konnten wir aufs Hauptgleis zurücksetzen und weiterfahren)
Die Abendämmerung setzt ein
Ich bin am Ende fast pünktlich gegen 19:00 in Jonquière angekommen. Mein B&B war 10 Minuten Fußweg vom Bahnhof weg. Auf halbem Weg dahin, habe ich eine kleine Brauerei gesehen. Da bin ich dann zum Essen und ein Getränk hin, nachdem ich meine Klamotten ins B&B gebracht hatte.
Jonquière/Saguenay/Chicoutimi
Jonquière ist Teil des Ortes Saguenay. Über diese Brücke war mein Zug am Vorabend gefahren
Kleine Wanderung auf einen Berg. Oder: Über den Dächern von Jonquière
Der Bahnhof von Jonquière. Multimodal paßt - auch wenn da nur 6 Züge die Woche halten
Ich bin mit dem Bus in einen anderen Ortsteil von Saguenay gefahren: Nach Chicoutimi. Willkommene Überleitung um ein paar Worte zum Busfahren zu verlieren. Die Fausregel ist, daß man im Bus i.d.R nur Einzelfahrten kaufen kann und das nur in Münzen und mit abgezähltem Geld. Daher hatte ich immer mal wieder mit Bargeld bezahlt und das Wechselgeld zur Seite gelegt um für den Bus (und den Waschsalon) was in der Tasche zu haben. Was mir erst in dem Zuge auffiel: Kanada hat die 1 Cent Münze mehr oder weniger abgeschafft. Bei Barzahlung wird gerundet, damit man mit 5 Cent als kleinster Münze auskommt. Die 1er loszuwerden war immer eine "Freude", weil Preise (egal ob Supermarkt oder Restaurant oder ...) immer ohne Steuer sind und man daher erst an der Kasse genau weiß, was es kostet - und dann mit einer Schlange hinter einem mit Kleingeld hantieren...
Chicoutimi liegt direkt am Saguenay River (der in den Lorenzstrom mündet) und ist auch ein beliebtes Ziel für Kreuzfahrtschiffe. Hatte den Effekt, daß ich bei der Besichtigung der Kathedrale gefragt wurde, zu welchem Schiff ich denn gehören würde.
Innen ganz nett gestaltet - nicht zu überladen
ok, ein wenig :-)
Da Samstag war, kutschierte der Bus keine Schüler, sondern Kreuzfahrer
Eine nette Promenade lädt zum Flanieren am Wasser. Nach der Hitzewelle hatte das Wetter in der Zeit eher auf feucht und trüb umgestellt.
Vorbei an einem Brunnen mit allerlei Meeresgetier
Von der anderen Seite des Flußes aus gesehen, ragt die Kathedrale heraus
Was soll das schon sein? Das "Petite Maison Blanche" ("Kleines Weißes Haus") natürlich
Sehenswert fand ich die "Pulperie de Chicoutimi". Man hat eine alte Papierfabrik in ein Industriemusum umgebaut. Blick auf dem Komplex
Wir waren mal Rohre, durch die Wasser floß
Vor dem Gebäude eine kleine Dampflok
Habe da einen netten Tag verbracht. Als mir der Regen zuviel wurde, bis ich wieder gen. Jonquière gezogen und war nett was essen. Oben: Cornichons Frits (Gewürzgurken paniert und frittiert) und danach ein Burger mit u.a. Schafskäse (mit der Beilage "croustilles" auf der Speisekarte wußte ich nix anzufangen - erst als der Teller kam).
Im B&B gab es zum Frühstück ein super leckeres Omelette mit Käsefüllung
Da der Trip unter dem Motto stand: Der Weg ist das Ziel, war ich auch nur zwei Nächte in Jonquière. Sonntags Mittags ging es wieder zurück Richtung Montréal. Ich konnte nochmal 12 Stunden die Natur genießen und habe lustigerweise viele Leute wieder getroffen, die am Freitag auch auf dem Hinweg mit im Zug waren. Die Zugbegleiterin war auch die gleiche (keine Ahnung, wie in Kanada Arbeitszeiten geregelt sind, aber sie hat sich die ganzen Fahrt über alleine um den Wagen und die Fahrgäste gekümmert).
Nach einem kurzen Stopover in Montréal ging es dann weiter Richtung Quebec City.