[MK]: Erkundungstour bei den Kamikaze-Turtles - Teil 4 (m9B)
Die vorangegangenen Teile: Teil 1: Dracevo, Brvnica, Srbinovo, Gjorche Petrov Teil 2: Brvnica, Padaliste, Sulari, Nikishtane Teil 3: Radusa, Nikishtane, Veles, Lozovo, Stip, Vanco Prke
Tag 5 - Güterzugtag Es ist nun schon der 9. Juli. Als der Wecker einmal wieder um 6:10 klingelt, ist es noch merklich dunkler als sonst. Von meinem Balkon lassen sich ganz viele Wolken erspähen. Ich gehe trotzdem mal runter. Als der Zug pünktlich an den Bahnsteig rollt, scheint 300 Meter weiter voll die Sonne … nur hier eben nicht. Dann mache ich mich in Ruhe fertig. Mittlerweile dusche ich auch mitten im Badezimmer, da das Wasser in der Dusche immer noch zirka eine Stunde braucht um abzulaufen. Auf der Terrasse des Restaurants werden bei selbst besorgten Keksen wieder mehrere Kaffee geschlürft und das Wetter geprüft. In Skopje soll es besser sein, also geht‘s heut dorthin. In Gjorche kam der Schnellzug mit zehn Minuten Verspätung und es gab sogar scheinbar Umsteigezwang in Hani.
Der Bahnhof selbst zeugt von besseren Zeiten. Der Personentunnel war augenscheinlich nie in Betrieb, da es nur die Treppen gibt, deren Brüstungen stellenweise auch schon weiterverwertet wurden. Ein Empfangsgebäude wurde auch nie vollendet. Und selbst wenn, jenes in Skopje Sever ist ja auch zweckentfremdet. Der Bahnsteig hat eine Länge auf die es die Züge wahrscheinlich auch nach der Eröffnung der Umfahrung der Innenstadt von Skopje niemals gebracht haben. Bei allen Fotos, die ich machte, habe ich nie auch nur einen Fahrgast hier gesehen. Man sieht nur Eisenbahner und Gleislatscher. Alles versprüht morbiden Charme und weist uns auf Vergänglichkeit hin.
Nachdem der Zug weg ist, fahre ich mit meinem Auto auf die andere Seite und beschließe mit dem Fahrdienstleiter Kontakt aufzunehmen. Dieser ist wirklich aufgeschlossen und spricht sehr gut Englisch. Demzufolge klappt die Kommunikation gut. Er ist begeistert und schwärmt von den schnellen ICEs in Deutschland. Und ich ärgere mich schon wieder, dass ich keine Fotos dabei habe. Ich erzähle ihm, dass die Strecke nach Kicevo aber auch gut in Schuss sei, worauf er mir schlagartig alle Höchstgeschwindigkeiten bis dorthin aufzählt … und die sind immer zwischen 70 und 100 km/h. Auch die Frage nach Güterzügen wird wieder mit ja beantwortet. Und erneut kommt die Angabe in ein bis drei Stunden. Das passt eigentlich ganz gut, da jetzt ohnehin das Mittagsloch ohne Personenverkehr ansteht. Wie erzählen noch über dieses und jenes. Ich bekomme die Info, dass die Brücke von Srbinovo 74 (oder vielleicht auch „nur“ 64) Meter hoch sei. Und das alte Einfahrsignal von Vanco Prke erkennt er auch. Bald verabschiede ich mich und fahre Richtung Volkovo. Dort hatte ich gehofft am Widerlager der Autobahnbrücke einen erhöhten Standpunkt zu haben, doch dort war alles zugewachsen und ich postierte mich unter der Brücke im Schatten. Das war um die Mittagszeit wenigstens halbwegs angenehm. Nur war ebendort aber auch kein Motiv, die Sonne wurde immer achsiger und plötzlich zogen dann auch noch dicke Wolken über die Berge herein. Umsetzen wollte ich jetzt aber nicht mehr, da war das Risiko zu groß den Zug zu umfahren. Nach Unzeiten blinkte dann das BÜ-Signal in Orman, was man vom Standpunkt noch gut erkennen konnte und ich hatte Glück, dass der vordere Zugteil beleuchtet wurde. Ich vermute, dass der Blick vom Nikishtane-Hügel nicht mit Sonne abgegangen wäre, also gut, dass ich genau so stand.
Da in Volkovo auch die mazedonischen Kontrollen bei Güterzügen stattfinden, rollte ich gemütlich dorthin und wartete in Ruhe ein paar Minuten auf ein Sonnenloch. (Der Bahnhof Volkovo ist jetzt auch mit allen Gleisen in OSM zu finden.)
Nach dem Foto wollte ich keine Zeit verlieren und machte mich zum Eisenwerk auf. Dort ist die Strecke zum Hauptbahnhof und zum Güterbahnhof schon geteilt und so hoffte ich, dass dort etwas vom Bahnsteig machbar wäre. Der Bahnsteig ist ein Lacher, da passt wahrscheinlich gerade ein Wagen hin und das Gleis zum Güterbahnhof war doch auch sehr verkrautet, aber ich hatte keine Wahl. Die Zuwegung zum Bahnsteig ist auch etwas versteckt und dort machte ich dann auch noch einmal Bekanntschaft mit einer schwarzen Schlange vom Kaliber 30cm, aber die hatte mehr Angst vor mir als ich vor ihr. Mittlerweile war der Himmel auch wieder recht klar und ich musste auch gar nicht mehr so lange warten.
Den nach dem großen Erdbeben von 1963 aufgeständert neu errichteten Hauptbahnhof von Skopje wollte ich mir auch noch anschauen. Parkplätze sind unter den großzügigen Anlagen ausreichend und natürlich auch kostenfrei zu finden. Der Vorteil: Das Auto steht schön im Schatten. Nachdem ich den Zugang zu den Bahnsteigen endlich gefunden hatte, nahm ich den Zug aus Kicevo mit. Dieser kam aber erst mit +40, weil, wie mir erst später klar wurde, er an diesem Tage wieder Emils aus Kicevo in Gjorche an die Ladestraße zugestellt hatte. Und da mussten die Fahrgäste eben in Gjorche so lange warten.
Nach Kocani fuhr man an dem Tag wirklich mit Triebwagen. Die Ausfahrt nahm ich auch gleich noch mit. Der Riga-Triebwagen aus Veles erschien bis dahin nicht und musste demzufolge irgendwo unterwegs kreuzen.
Eine Etage tiefer besorgte ich mir ein riesiges Stück Pizza zu 70 Dinaren - das billigste Essen der ganzen Woche und auch nicht unappetitlich. Schnell fuhr ich erneut nach Nikishtane, wo ich die Kurve etwas seitlicher nehmen wollte. Nur das Licht war dort nicht mehr ganz passend. Auf dem Feldweg dorthin, scheuchte ein alter Kuhhirte sein Vieh so wild vor mir her, dass mir Angst und Bange wurde um den gebrechlichen Mann. Aber ich konnte ihn nicht hindern. Nach den Worten „voz“ und „foto“ hatte er vielleicht vermutet, dass ich Stress habe. Wie auch immer - er hat es überlebt und seine Rindviecher wohl auch.
661 234 | B 892 (Skopje - Prishtina) | Nikistane
Da der Güterzug ja heute keine arge Verspätung hatte, ging ich davon aus, dass die Lok vom Schnellzug bald wieder kommen müsste. Das tat sie dann auch nach einer weiteren Ewigkeit. Mir war’s egal, da ich ausgiebig mit zu Hause telefonierte und gemütlich in der Abendsonne hinter dem Stativ stand.
Für den Fall, dass doch noch ein Güterzug käme, blieb ich an der Stelle bis die Sonne weg war. Es tat sich aber nichts mehr. Lediglich der Rucksack war noch von unzähligen Ameisen zu befreien. Im Hotel genehmigte ich mir ein Skopsko und auf dem Zimmer noch ein Bitolsko (letzteres nicht empfehlenswert).