Zwischenzeitlich schreiben wir Dienstag, den 14. Juli. Wir brechen einmal wieder ohne Frühstück auf, denn wir wollen den Morgenzug aus Kocani ablichten. Da die Kursbuchstrecke 3 von Veles nach Kocani mit nur noch einem Zugpaar bedient wird, ist diese für mich ein Wackelkandidat. Was wir damals noch nicht wussten: Die Züge sollten nur noch knapp drei Wochen verkehren. Aufgrund des Flüchtlingsstromes verwendet die Mazedonische Bahn fast ihr ganzes Lok- und Wagenmaterial auf, um einen geordneten Transport zu ermöglichen. Ob es nach einem fallweisen Abebben dieses Zustroms allerdings erneuten Personenverkehr auf der Strecke gibt, kann nur die Zukunft zeigen. Da die Strecke prinzipiell für die verkehrenden Züge eher schlecht im Licht liegt, starten wir unser Glück in Lozovo an einem BÜ, den ich schon aus 2014 kenne.
Die Kapelle von Lozovo
Über die Ebene fegt ein ordentlicher Wind und so ist es noch angenehm, ja fast sogar kühl. Über die Mais- und Tabakpflänzchen hat man auch einen schönen Blick auf die ortsansässige Kapelle. Wir müssen auch nicht mehr lang auf unseren Personenzug warten und dann kommt der Rangierdiesel mit einem Wagen, der auf unserer Seite sogar erstaunlich sauber ist, um die Kurve.
642 403 | iR 650 (Kocani - Skopje) | Lozovo
Bevor wir den Zug nochmal bei der Überquerung des Vardar in Veles aufnehmen wollen, gibt es noch einige Ausblicke von der Zufahrt zur örtlichen Müllhalde auf das schmucke Städchen, welches sich malerisch an die Hänge des Vardar-Tals schmiegt.
Ausblick auf Veles
642 403 | iR 650 (Kocani - Skopje) | Veles
Auf der anderen Seite war der Wagen leider nicht so sauber. Da nach diesem Zug jetzt erst einmal nichts mehr zu erwarten war, gab es nun Frühstück im Hotel. Dafür hatten wir fast zwei Stunden Zeit. Zwischendrin und währenddessen waberten auch immer einmal einige Wolken vor der Sonne herum. Für den nächsten Regio aus Skopje wollten wir zum Bahnhof in Veles. Bis zum Zug hatte sich aber auch die letzte große Wolke gen Südosten verzogen und es schien wieder ein toller Tag zu werden. Der Zug kam lokbespannt. Es wurde schnell abgekuppelt, noch bevor alle Fahrgäste den Bahnsteig verlassen konnten, und genauso schnell umgesetzt.
441 044 | iR 613 (Tabanovci - Veles) | Veles
Am Bahnhof erkundigten wir uns noch nach Güterzügen. Eine Antwort bekamen wir zwar nach einigem Hin und Her, sie war aber nicht positiv. Beim Gehen inspizierten wir noch zwei Tafeln vom Roten Kreuz, welche auf Französisch und evtl. Arabisch Flüchtlingen den Weg weisen sollten, verwiesen wird dabei auch auf die regulären Personenzüge des Nah- und Fernverkehrs.
Tafeln bzw. Plakate in Veles
Als nächster Programmpunkt war nun die Besichtigung des wahrscheinlich abgelegensten Bahnabschnitts im Vardar-Tal bei Pcinja vorgesehen. Die Anreise gestaltete sich recht schwierig. Wir parkten an der Autobahn und waren dann noch knapp eine Stunde zu Fuß unterwegs zum einen, weil nicht immer klar war, wo der Weg, den es auf keiner Karte gab, entlang führte und zum anderen, weil wir von gepanzerten Kröten und wachenden Hunden überrascht wurden.
Gepanzerte Kröte am Ufer des Pcinja-Flusses
Die Schildkröte wurde von Gunar fotografisch abgebildet. Und die beiden Hunde (von denen einer bei einem verlassenen Gut in einer Lada-Niva-Karosserie wohnte) fielen uns glücklicherweise auch nicht an. Auf unserer Tour hatten wir zwei Hängebrücken zu bestreiten, wobei die Erste noch vertrauenserweckend aussah, die Zweite aber eher nicht. Von den drei Stahltauen unter den Laufbohlen endete das erste nach zirka zehn Metern. Gunar lief mutig voraus. Ich überlegte mir manchen Schritt genauer.
Die erste hängende Brücke - im Nachhinein noch die Beste von allen (links) // Und Brücke Nr. 2 - die mit dem verlorenen Stahltau (rechts)
Schon die Zu- und Abgänge waren ziemlich morsch und mehr als abenteuerlich. Kurz bevor wir an der Stelle ankamen, wo wir so grob hinwollten, stellten die Blocksignale Richtung Süden auf grün. Ein Personenzug konnte es eigentlich nicht sein. Selbst wenn, hier musste es definitv richtig gute Stellen geben. Die ganze Sache war vom Sonnenstand für Südfahrer gerade noch machbar. Was nicht so leicht machbar war, war den 45-Grad-Hang nach oben zu kommen, der sich mit seinen Schotterhalden und Dornenbüschen strickt gegen Besteigung wehrte. Selbst für die vielleicht nur fünfzehn Höhenmeter brauchten wir mehrere Minuten. Wir bauten uns auf, mussten aber noch vergleichsweise lange warten. Wir vermuteten, dass bei Verlassen von Trubarevo, dem großen Rangierbahnhof von Skopje, bereits der ganze Fahrweg frei gemacht wurde. Entgegen kam uns ein gelber Containerzug aus dem österreichischen Lambach, den ich, warum auch immer, im Hochformat machen musste. In Frankreich würde man wohl sagen, dass die Zuglok im Beton-Livree daher kam. Das machte die Sache farblich und bildlich noch unspektakulärer. Aber niemand will sich hier über Mazedoniens Zugverkehr, und gleich gar nicht den Güterverkehr, beschweren.
Gunar und ich trennten uns dann etwas. Ich wollte noch richtig auf den Hügel. Und er für den nachfolgenden Regionalzug wieder etwas südlicher den Bogen herum. Dabei hatten wir uns etwas missverstanden und so marschierte ich erst verspätet zurück, allerdings nachdem ich mit viel Glück und vollkommen unverhofft den „Schuss des Urlaubs“ absetzen konnte. Denn: Meine aufgesuchte Fotostelle war nicht erst „frei ab 18“ und auch nicht fäkal-urologisch verseucht, sondern einfach genial, mega galaktisch und wahrscheinlich zudem der schönste Talblick, den ich bisher in diesem Land auf eine Bahnstrecke ausmachen konnte. Zuerst kam der Regio talwärts wieder lokbespannt und war damit (für mich) vollkommen unbrauchbar. Gunar verwertete ihn schon besser „etwas um die Ecke“. Ein direkt talwärts folgender Skl war ebenfalls genauso wertlos. Die Rückleistung des Regio nach Skopje war zwar gut, aber bestach nun auch nicht gerade durch die Zuglänge.
441 044 | R 2082 (Veles - Skopje) | Pcinja
Der Personenzug war nun gelutscht und so wie ich Gunar vorhin verstand, hieß es nun Aufbruch. Der Hammer war nun allerdings, als ich mich vor dem Zusammenpacken noch einmal schnell für ein paar Meter vom Stativ wegbewegte, trommelte es plötzlich im Tal und das was da um die Ecke bog, wurde länger, und immer länger … und … ich hielt den Atem an, rannte zum Stativ, die Serienbilder rasselten mehr oder weniger unkontrolliert durch …
Genau drei Minuten und sieben Sekunden nach dem Perso (Selbstblock sei Dank) hatte ich an der Stelle mein Bild (und das war definitiv das Bild des Urlaubs) im Kasten und packte nun wirklich rasch zusammen. Gunar wartete nun schon ungeduldig und wir klärten unser Missverständnis auf. Allerdings hatte er leider Pech, da er nur für den Perso nach Veles wirklich gut stand. Nachmittag wollten wir nochmals an die Kocani-Piste. Dafür wurde es durch mein Versehen jetzt aber ordentlich knapp. Wir sputeten uns und kamen nun wesentlich schneller an den Wachhunden vorbei und waren damit auch in guter Zeit wieder am Auto, so dass wir unser Programm trotzdem noch wie geplant abfahren konnten. Rechtzeitig postierten wir uns nun wieder in Veles, diesmal oberhalb der Stahlbrücke.
642 403 | iR 651 (Skopje - Kocani) | Veles
Danach war wieder Lozovo (mit etwas Kunst) und auch noch Tri Cesmi fällig.
642 403 | iR 651 (Skopje - Kocani) | Lozovo
642 403 | iR 651 (Skopje - Kocani) | Tri Cesmi
Danach war es mir etwas zu warm geworden und irgendwie leicht bunt vor Augen. Mit etwas Wasser hatte ich mich nach ein paar Minuten im Auto wieder eingekriegt. Gunar musste derweil fahren. Bei Vanco Prke stieg er aus, da er das Motiv mit dem Esig auch haben wollte. Ich war wieder soweit fit, dass ich das Auto übernahm um zum nächsten BÜ weiter zu fahren. Die Aufteilung an dieser Stelle ermöglichte nun Gunar auch das Bild des Urlaubs zu bekommen. Bei mir war es so lala, aber ich war ja schon in Pcinja zum Zug (oder besser zum Bild) gekommen.
642 403 | iR 651 (Skopje - Kocani) | Vanco Prke
642 403 | iR 651 (Skopje - Kocani) | Pisica
In Oblesevo verhedderten wir uns im Dorf und fanden den Haltepunkt erst weit nach Zugdurchfahrt. Für alle anderen Suchenden gibt’s den Haltepunkt jetzt auch bei OSM. Wir hielten noch den dörflichen Charakter fest und fuhren bis zum Endpunkt der Strecke nach Kocani. In früheren Tagen ging die Strecke noch etwas weiter bis zur nahegelegenen Talsperre. Die Bahn leistete scheinbar einen nützlichen Beitrag beim Bau des Stausees. Heute kann man das nur noch auf den Satellitenbildern erkennen, auch das Kocani einmal ein Wendedreieck hatte, wie man es vielfach aus den Amerikas oder aus Asien kennt.
Bäuerliche Gelassenheit bei Oblesevo
Und noch etwas Bio
Als wir in Kocani ankamen, war man gerade mit Umsetzen fertig und der Zug glänzte für die Rückfahrt am nächsten Morgen in der Abendsonne vor sich hin, während die Eisenbahner ihren Dienst mit letzten Handgriffen dem Feierabend entgegenführten. Der stürmische Wind, der schon früh in Lozovo wehte, war auch hier sehr deutlich zu spüren und brachte die Bäume ordentlich in Bewegung, bei den angezeigten Temperaturen aber dennoch kaum Abkühlung. Am Bahnhof fand sich noch ein schöner Käfer, den wir auch archivierten.
642 403 für den nächsten iR650 | Kocani
Old Beetle
Und mit einem Landschaftsbild von der Rückfahrt beschließen wir diesen Teil und am Aufnahmetag ging es zum Duschen und zur Essensaufnahme ins Hotel.