Zeitig (und ohne Frühstück) verließen wir unser Hotel. Es sollte nach Gradsko gehen. Dort wollten wir am Bahnhof vorstellig werden und mit den erhaschten Infos die Stichstrecke nach Kavadarci bzw. Sivac abackern auf der theoretisch Vormittag ein bis zwei Zugpaare verkehren. In Gradsko verhieß man uns nichts Gutes. Die Strecke sei schon seit Wochen nicht bedient worden. Der Industrie gehe es wirtschaftlich nicht gut. Und mit den Griechen gäbe es ohnehin immer Stress. Wir trollten uns also unverrichteter Dinge. An der Ladestraße hatten wir aber wenigstens eine Lok erspäht, die wir uns noch genauer anschauten. Die Baureihe kommt einem ja sehr aus Rumänien bekannt, die Lok selbst wurde aber zuletzt scheinbar in Bulgarien eingesetzt, deshalb auch die Nummer. Nun gehört sie einer Firma, die auf den Namen ANRRA lauscht. Die einzelnen Buchstaben stehen wiederum für die Vornamen der Firmengründer, die sich nun in der Bahnbau-Szene Mazedoniens einen Namen machen.
ANRRA 55-211 | abgestellt | Gradsko
Nun enterten wir die bekannte Brücke in der südlichen Bahnhofsausfahrt. Der Hellas musste noch kommen, hatten wir zumindest früh im Hotel so gegengeprüft. Und einmal Regionalverkehr gibt es ja auch noch. Nach einer knappen Stunde Wartezeit und mit 15 Minuten Verspätung erlöst uns ein Riga-Triebwagen.
412 054 | iR 611 (Tabanovci - Gevgelija) | Gradsko
Wir fahren nun auch Richtung Süden weiter. Allerdings nicht um den Lette zu verfolgen, sondern um eine schönere Stelle für den Schnellzug zu finden. Kurz hinter Stobi finden wir eine halbwegs passable Stelle, die sogar einen relativ großen Busch hat, in dessen Schattenwurf wir die Wartezeit sitzend bzw. ich liegend verbrachten.
441 107 | D 335 (Beograd - Gevgelija) | Stobi
Nach dem Foto irren wir noch etwas um die Industriebrache von Kukuricani und den mindestens genauso hässlichen Bahnhof. Motivlich ist das einfach der Komplettabsturz und für eine spätere Mittagspause deshalb auch vollkommen ungeeignet. Wir starten deshalb nun das Kulturprogramm und begeben uns zur Ausgrabungsstätte der Ruinen von Stobi (municipium stobensium). Am Eingang ist man scheinbar etwas verwirrt über die Touris. Irgendwann bekommen wir unseren großen Schein doch noch klein gewechselt und drücken die zweimal 120 Dinar ab. Als Dank bekommen wir die beiden Tickets (meins hat immerhin die Nummer 025564 – könnte aber gut sein, dass die von 26600 runter zählen) und noch einen Flyer obendrauf. Da Englisch und Deutsch im Moment nicht verfügbar sind, werden wir mit Spanisch beglückt. Immerhin hat man da ob des romanischen Ursprungs die Chance sich bei manchen Worten die Übersetzung zu denken.
Es hat ein Amphitheater …
… viele Flaggen, zumeist aber viele Steine …
… und auch ein paar Säulen
Als wir zur im Flyer verzeichneten ehemaligen Brücke über den Fluss wollen werden wir zurück gepfiffen. Auch das Mosaik der alten Kirche durften wir nicht von Nahem betrachten. Das war an dem Tag nur den englischen Archäologie-Studenten erlaubt, die zu Hauf Fotos machten oder im Dreck wühlten. Nach einer Stunde hatten wir genug. Es wurde nun auch immer unerträglicher ohne Schatten. In Negotino suchten wir OSM-gesteuert einen Supermarkt auf und deckten uns für’s Mittagessen. Mehrere Versuche mit Auto oder zu Fuß einen schönen Blick auf die Strecke zu erhaschen, scheiterten an tiefen Schlaglöchern, zu Bächen mutierten Wegen oder an dornigem Gestrüpp. Hier bedurfte es einmal hängender Brücken … oder gepanzerter Kröten zum Reiten. Aber nichts von alledem war verfügbar und so dinierten wir direkt am Bahnhof von Negotino, wo wir gut die Signale in beiden Richtungen im Blick hatten. Natürlich wurden wir auch hier wieder nach unserem Tun befragt. Dabei bekamen wir mit, dass im Moment kein Eisenbahner hier Dienst tat. Trotzdem waren alle Gleise blank und an der Rampe stand sogar ein Ha-Wagen. Zum Essen bekamen wir aber noch mehr Besuch. Zuerst von einer Katze, dann von zwei streunenden Hunden, wovon der Größere den Kleineren und die Katze vertrieb.
Großer Hund, Mülltonnen und vertriebene Katze) | Negotino
Auch nach mehrfachem Betteln bekam der große Streuner von uns nichts. Wir aßen alles brav auf und verstauten unseren Müll im Papierkorb. Dort blieben die Reste aber nicht lange, denn der große Hund nahm alles wieder raus und zerpflückte es sorgfältig auf der Suche nach Verwertbarem. Minuten später verließ er das Schlachtfeld hungrig und wir bemühten uns die ganzen Fetzen wieder einzusammeln. Derweil war auch das Signal gen Norden auf grün gesprungen und wir sprangen in Bahnhof ein paar Mastfelder vor und genauso wieder zurück. So richtig war das nix, aber die Zeit drängte vermutlich. Bald darauf kam auch schon eine Doppeltraktion mit weiteren Ha-Wagen ums Eck und fuhr ohne Halt durch.
Das war nun insoweit ideal als das wir die Verfolgung gen Norden aufnehmen konnten, da wir ohnehin wieder in diese Richtung wollten. Über die Autobahn ist man wesentlich schneller und so warteten wir auch wieder einige Minuten auf der Brücke in Gradsko um unser Foto ohne Frontlicht zu machen. Hier kann man auch nochmal schön sehen, dass die Gleise nach Sivac wirklich nicht blank sind.
Ich wollte gerne noch in dem engen Talabschnitt ein Foto vom Güterzug und erst danach oben hinter den Tunnel bei Veles an die Bitola-Piste wechseln. Gunar war eigentlich nur das Foto vom Bitola-Zug wichtig mit der Stelle, die ich ihm vorher schmackhaft gemacht hatte. Schlussendlich reichte es doch noch für beides, war aber mit einigem Hetzen verbunden. Erst lotste ich Gunar etwas falsch durch die Einbahnstraßen von Veles, dann mussten wir auch noch rennen. Aber der Personenzug war ein paar Minuten später und so stand sogar auch mein Stativ. Nun hatten wir erst den Güterzug auf der Topolka-Brücke bei der Mündung in den Vardar erwischt und einige Höhenmeter weiter oben im Topolka-Tal, aber mit immensem Fahraufwand, den InterRegio nach Bitola abgepasst.
Danach war zum wiederholten Male die Verfolgung des Kocani-Zugs angedacht. Dazu postierten wir uns am Schrankenposten im östlichen Veles. Der Schrankwärter wollte uns mit diversen Getränke und Früchten versorgen. Irgendwas nahmen wir, glaube ich zumindest, dann doch an - eine Gurke? Keine Ahnung mehr. Die bekannte Garnitur kam mit etwas Verspätung, die aber an der Stelle nur positiv auf den Sonnenstand wirkt.
642 403 | iR 651 (Skopje - Kocani) | Veles
Wir nahmen die Verfolgung über die Landstraße „A3“ auf. Diese wird gerade ausgebaut und ist zwischen Veles und Lozovo über mehrere Kilometer eine üble aber breite Schotterpiste. Ein relativ kurzes Stück gibt’s auch mit Ampelregelung. Nachdem ein Baustellen LKW fast die komplette Grün-Phase verhunzt hatte, beschlossen einige Eifrige auf der Gegenfahrspur bis zur Ampel vor zu fahren, so dass das Chaos nicht besser, sondern perfekt wurde. Gelöst wurde das Ganze in dem alle bei Rot fuhren. Bei uns war es ja auch schon knapp Kirsch-Gelb, aber hinter uns im Anschluss passierten noch fast 15 Fahrzeuge die Ampel. Für uns war es dennoch nicht knapp. Am BÜ bei Saramzalino hatten wir noch genug Zeit unsere Position auf einem Erdhügel der Straßenbaustelle einzunehmen.
642 403 | iR 651 (Skopje - Kocani) | Saramzalino
Bei Cardaklija wollten wir noch einen Seitenschuss probieren, der auch ganz gut aussah und den sich Gunar so gewünscht hatte.
642 403 | iR 651 (Skopje - Kocani) | Čardaklija
Insgesamt bleibt festzustellen: Motive gibt’s an der KBS 4 nach Kocani reichlich, nur leider bräuchte es mindestens ein weiteres Zugpaar in selber Zeitlage, aber entgegengesetzter Fahrtrichtung. Naja, die Bahn fährt halt nicht für Fotografen, aber träumen darf man ja noch …
Auf dem Rückweg legen wir auf meinen Wunsch noch einen Stop am verlassenen Bahnhof Ovce Pole ein, der irgendwie an alte Western Filme erinnert. Aber macht euch selbst ein Bild.
Als erstes kommt ein Bauer am EG vorbei | Ovce Pole
Dann betrachten wir den Schnee- (?) und Windfang
Und zum Schluss: die Gleisanlagen mit Bahnsteig und übermäßig dimensionierter Verladerampe